Übermäßiges Schwitzen signalisiert eine Störung der natürlichen Wärmeregulation unseres Körpers. Mit spontanen Schweißausbrüchen etwa bei einem Kundentermin oder in geselliger Runde muss sich niemand abfinden. Doch wann ist viel zu viel? Oder gar behandlungsbedürftig?

Schwitzen ist eine normale und sogar lebenswichtige Funktion. „Bei hohen Außentemperaturen, körperlicher Anstrengung oder Fieber läuft unsere körpereigene Klimaanlage auf Hochtouren“, veranschaulicht Prof. Christian Raulin, Hautarzt in Karlsruhe.

Ist der Körper überwärmt, sondern Millionen sogenannter ekkriner Schweißdrüsen vermehrt wässriges Sekret ab, das verdunstet und so für Kühlung sorgt.

Manche Menschen neigen jedoch dazu, unangenehm stark zu schwitzen, auch wenn dies für die Wärmeregulation nicht erforderlich ist. Diese Fehlfunktion wird als Hyperhidrose bezeichnet, erklärt Prof. Raulin. Schweißausbrüche können in den Wechseljahren gehäuft auftreten, auch sehr übergewichtige Menschen schwitzen oft vermehrt. Ebenso begünstigen manche Medikamente übermäßiges Schwitzen. Krankhafte Ursachen wie Stoffwechselstörungen sind eher selten, beruhigt Prof. Raulin besorgte Patienten.

Die meisten, die den Rat des Hautarztes suchen, leiden an einer sogenannten primären Hyperhidrose, für die sich keine Auslöser dingfest machen lassen. Am häufigsten sind fokale Formen, bei denen die Schweißdrüsen in begrenzten Arealen wie Achselhöhlen, Handflächen oder Fußsohlen, manchmal im Gesicht, an Nacken, Brust oder Rücken überaktiv werden.

Eine Hyperhidrose ist insbesondere psychisch sehr belastend, weiß der Hautarzt. Übermäßiges Schwitzen kann das körperliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen, zudem werden beispielsweise Hautinfektionen mit Hefepilzen oder Fußpilz begünstigt. Ausgeprägte Schwitzflecken auf der Kleidung oder klatschnasse Hände können regelrecht stigmatisieren, Gesprächspartner gehen auf Distanz. Die Betroffenen sind oft verunsichert und leben in ständiger Angst vor dem nächsten Schweißausbruch – das fördere über das vegetative Nervensystem ein übermäßiges Schwitzen noch, so Prof. Raulin.

Was also tun? „Gut gemeinte Tipps, wie schweißtreibende heiße Getränke oder Gewürze zu meiden oder Entspannungstechniken wie Autogenes Training zu erlernen, bringen bei der fokalen Hyperhidrose wenig“, weiß der Hautarzt. Auch mit luftiger, lockerer Kleidung oder atmungsaktivem Schuhwerk lasse sich das Problem allenfalls kaschieren. Häufiges Duschen oder handelsübliche Deos mindern zwar eine Geruchsbildung, nicht aber die Menge der Schweißproduktion.

Raulin empfiehlt bei fokaler Hyperhidrose zunächst sogenannte Antiperspirantien mit Aluminiumchlorid, das die Absonderung der Schweißdrüsen unterbindet. Wichtig sei eine hautverträgliche Zubereitung der Präparate mit einer Wirkstoffkonzentration, die ausreichend effektiv wirkt, ohne die Haut zu reizen.

Das Antiperspirant wird anfangs täglich, später nach Bedarf stets abends auf die übermäßig schwitzenden Areale aufgetragen, damit es über Nacht einwirken kann. Studiendaten einer Arbeitsgruppe um Prof. Martina Kerscher von der Universität Hamburg belegen, dass sich damit beispielsweise an den Achseln Erfolgsraten von über 95 Prozent erzielen lassen. Immer wieder fürchten Patienten allerdings, dass Aluminiumchlorid eine krebserregende Wirkung haben oder eine Alzheimer-Erkrankung begünstigen könnte. „Es gibt jedoch keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte, dass Aluminiumchlorid das Risiko für Krebs oder Morbus Alzheimer erhöht“, betont der Karlruher Hautarzt.

Bringen bei einer sehr ausgeprägten Hyperhidrose an Händen oder Füßen aluminiumchloridhaltige Präparate keine ausreichende Linderung, machen viele Patienten gute Erfahrungen mit einer Iontophorese. Dabei werden Hände beziehungsweise Füße in ein Wasserbad getaucht, durch das schwacher Gleichstrom geleitet wird. Damit lässt sich eine Umstimmung von Nervenimpulsen erzielen, die für die Schweißsekretion zuständig sind. Die Behandlung muss allerdings regelmäßig wiederholt werden. Diese Methode lässt sich in Form sogenannter Stanger-Bäder auch bei übermäßigem Schwitzen am ganzen Körper einsetzen.

Sprechen Betroffene auf diese Maßnahmen nicht ausreichend an, steht gegen Achselschweiß Botulinum zur Verfügung. Durch die Injektion des Medikaments lassen sich Nervenimpulse blockieren, die die Schweißdrüsen stimulieren. Der Effekt hält mehrere Monate an. An den Händen wird Botulinum gelegentlich ebenfalls eingesetzt.

Im Achselbereich können die Schweißdrüsen auch chirurgisch ausgeschabt oder abgesaugt werden. An den Händen ist eine operative Durchtrennung der zuständigen Nervenknoten, eine sogenannte Sympathektomie, möglich, sollte aber aufgrund der möglichen Komplikationen nur in sehr schweren Fällen erwogen werden.

Meist lässt sich eine fokale Hyperhidrose jedoch ohne Operation in den Griff bekommen, betont Raulin: „Das schenkt den Betroffenen meist eine völlig neue Lebensqualität.“

Quelle: BVDD